31.05.2023
Kolumne "Vielfalt und Glaube" - von Steffen Paar

Als Kind habe ich gerne Papierflieger gefaltet. Im Schulunterricht, wenn es langweilig war oder zuhause einfach so. Dabei entstanden Kunstwerke, die heiter den Raum durchflogen.

Das Leben faltet mit allem, was es bietet.

Das Falten hat das Papier stabil und flugfähig gemacht. Falten sind woanders nicht erwünscht. Nicht im Tischtuch, bevor die Gäste kommen, nicht in den Bewerbungsunterlagen und nicht im Gesicht, das einem aus dem Spiegel anschaut. Seltsam, denke ich, alles soll makellos und wie neu sein, als ob Leben keine Spuren hinterlässt: Das Tischtuch, dessen Rotweinflecken von der Feier erzählen, die Fotos, die bereits der Großvater in Händen hielt und die Mundfalten, die schon oft gelacht haben. Ein neues Blatt Papier kann nichts erzählen. Würde die Zeit wie Wind darüber fegen, so bliebe nichts hängen. Das Leben jedoch faltet mit allem, was es bietet: Liebe, Streit, Erfolg, Träume oder Enttäuschung. Manche Falten wollen wir ausbügeln, weil wir uns schämen. Andere wollen wir verstärken, denn sie sind uns wichtig.
Zu meiner Vielfalt gehört mein Leben als schwuler Mann und als evangelischer Christ. Beides gefällt nicht allen. Für manche ist zum Beispiel meine Lebensform ein Makel, auch in der Kirche. Oder, dass ich manchmal gerne meine Fingernägel lackiere. Vielfalt lacht mich an. Ich entdecke sie in den Geschichten der Menschen. Wie Menschen Liebe leben. In der Art, wie an Gott geglaubt wird und wie Menschen das zeigen. Diese Vielfalt fällt nicht vom Himmel. Sie will entfaltet, entdeckt und zugelassen werden. Nicht anders bei den Menschen aus der Bibel, ob Abraham, David, Maria oder Jesus selbst. Am Beginn stand das Zutrauen Gottes, Segen. Und dann entfalteten sie ihren Weg und kamen sich und ihrer göttlichen Berufung immer mehr auf die Spur. Du und ich bleiben nicht ein-fältig. Wir sind viel-fältig. Würde die Zeit wie Wind darüber fegen, so bliebe sie hängen. Und wir werden gehoben und weitergetragen. Also, nur Mut! Achte die Falten in Deinem Leben und die Vielfalt des Anderen. Sie erzählen von Dir und Gott!