06.04.2022
SonntagsPost - 10. April 2022

Die Karwoche ist für mich immer DAS Bild für die Wankelmütigkeit der Menschen.

Jesus zieht nach Jerusalem ein.

Am heutigen Palmsonntag beginnt die Karwoche bzw. traurige Woche. Wir erinnern uns an die Geschichte von Jesu Einzug in Jerusalem. Er wird wie ein König begrüßt. Bejubelt. Palmzweige und Kleidung werden vor ihm auf die Erde gelegt und es erklingt der Lobgesang: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ Als Symbol des Friedens und der Demut zieht Jesus auf einem Esel ein. Nicht auf einem großen, stattlichen Pferd. Ohne Waffen. Ohne eigene Soldaten. Jesus wird dieser friedfertige Mensch bleiben. Nicht so das Volk. Am Freitag wird von dem Lobgesang nicht mehr viel zu hören sein. „Kreuzige ihn“ wird dann erklingen.

Der Palmsonntag ist für mich ein Tag, an dem es um Erwartungen geht. Und Erwartungen sind der Tod in jeder Beziehung. Jesus hat Erwartungen enttäuscht. Er konnte es nicht allen Recht machen. Er war für viele eine Bedrohung. Stellte Gewissheiten auf den Kopf, warb für Gleichheit, Liebe und Frieden. Selbst denjenigen, die Rettung erhofften, brachte er vielleicht nicht die Rettung, welche sie wollten. Zu unblutig. Zu langsam. Zu unverständlich und zu anstrengend.

Von "Hosianna" zu "Kreuzige ihn". Wie schnell kommen wir von Jubelrufen zu Hetzgeschrei? „Wir sind das Volk“ mal als Freiheitsgesang erklungen und dann pervertiert, um rechte Hetze zu verbreiten.

Heute ist für mich der Tag, an dem ich auf meine eigenen Erwartungen schaue – an mich selbst und an andere. Wo verhindern sie Frieden? Wo beenden sie Beziehungen? Wo schaden sie mir und meinem Umfeld? Vielleicht darf ich mich heute von ihnen lösen. Gott helfe mir dabei. Amen

Eure Jenni