30.06.2022
SonntagsPost - 3. Juli 2022

Gottes Bild ist wandelbar.

Gottes Bild ist wandelbar.

„Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«? (Hes 18,2)

Komischer Spruch oder? Und er geht noch weiter: "So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel.“

Das Gottesbild der Bibel ist ein Bild des Wandels. Kein ewig gleicher Gott, sondern veränderte Wahrnehmung je nach Entstehungszeit des Textes. Der Mensch lernt(e) erst Gotteserkenntnis.

Dieser komische Spruch (ist heute übrigens Predigttext in den Gottesdiensten) beinhaltet so eine Veränderung des Glaubens. Die alttestamentlichen Texte sind zunächst sehr durchdrungen von der Vorstellung, dass Gott Sünde wie auch Gnade über die Generationen vergelte. Eine Sippenhaft könnte man sagen. Die Väter und Mütter schaffen Heil oder Unheil für ihre Nachkommen („Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,…“ vgl. 2 Mose 20,5).
Der Prophet Ezechiel räumt hier mit dieser Vorstellung auf. Bei ihm löst sich die Kollektivschuld zu einer Individualschuld auf. Das alte Sprichwort gilt nicht mehr. Jeder und Jede ist selbst verantwortlich für ihr/ sein Verhalten und für seine Gottesbeziehung. Ein klarer Widerspruch zu der sonst vorherrschenden Gottesvorstellung der damaligen Zeit.

Ich finde es immer wieder spannend diese Fäden in der Bibel zu suchen. Den Wandel der Gotteserkenntnis. Der Wandel des Gottesbildes. Es hat schon seinen Grund, dass wir eigentlich gar kein Bild von Gott haben sollen. Er ist nicht festzuhalten. Nicht in Bildern, nicht in Worten und auch nicht in einem Buch wie der Bibel. Gottes Wirklichkeit und seine Beziehung zu uns ist wandelbar und vor allem nur ganz individuell erfahrbar. Bis heute teilt er sich mit. Bis heute dürfen wir festgefahrene Sichtweisen und Sicherheiten ablegen. Mein Glaube darf sich verändern. Wachsen. Mit mir. In mir. Mit Gott.

Habt einen gesegneten Sonntag

Eure Jenni