27.06.2023
Kolumne "Vielfalt und Glaube" - von Kevin Jessa

Ich liebe Vielfalt! Ich liebe es, mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu sein. Mir tut das gut, weil ich so neue Perspektiven kennenlernen darf.

Ein Beispiel: Verschiedene Blicke auf Kirche tun meinem Blick auf Kirche sehr gut! Diese Momente, in denen mir etwas aufgeht oder ich die Perspektive einer anderen Person verstehe, liebe ich über alles.

Meine Perspektive ist nur eine.


Das hat für mich eine wichtige geistliche Dimension: Allein kann ich die Welt nicht erfassen. Meine Perspektive ist nur eine. Meine Annahmen bleiben unvollständig. Andere Blickwinkel erweitern meinen Horizont und geben mir eine Ahnung von dem, was ich eigentlich schon weiß: Da ist noch so viel mehr. Die Welt ist keine mathematische Formel. Gott sei Dank, Mathe lag mir nämlich nie so sehr. Meine Ergebnisse waren und sind immer wieder falsch. So ist das halt. Auch im Leben. Aber was solls, aus Fehlern kann ich lernen. Wenn ich das möchte. Und wenn ich offen bin, die Buntheit dieser Welt zu entdecken.

Und: Ich lebe Vielfalt! Allein, weil ich als schwuler Mann mit meinem Partner im Pfarrhaus lebe. Das klingt vielleicht erstmal ganz normal, aber selbstverständlich ist es nicht. In meiner Landeskirche war das vor nicht allzu langer Zeit ein Problem. Ich kenne Menschen – nur wenig älter als ich – denen der Einzug ins Pfarrhaus mit Partner noch verweigert wurde. Da sind wir heute, Gott sei Dank, sehr viel weiter. Aber Ablehnung habe ich trotzdem schon am eigenen Leib erfahren. Zu oft, wie ich finde.

Dabei könnte Vielfalt in unseren Kirchengemeinden so viel Kraft freisetzen. Ich denke da an die Ökumene in Fürstenwalde. Sieben Kirchen arbeiten hier zusammen – für eine mittelgroße Stadt im Osten Brandenburgs ist das viel. Zugegeben, strittige Themen diskutieren wir nicht aus, aber wir suchen das Gemeinsame und bringen uns in die Stadt ein. Wir müssen uns nicht immer einig sein, wir müssen nur die Vielfalt im Glauben akzeptieren und respektieren lernen. Dafür benötigen wir bloß Offenheit. Der Lohn für diese Mühe ist Verstehen und Stück für Stück Vertrauen.