09.10.2023
Kolumne Verantwortung: Love Speech versus Hate Speech

„Es sollte sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen“, „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten“, „Wir brauchen einen starken Führer“... Wenn ich die aktuelle Mitte-Studie lese, stellen sich mir die Nackenhaare auf.

Mehr als acht Prozent der Befragten unterstützen solche rechtsextremen Aussagen! Im Jahr davor waren es nicht mal zwei Prozent. Vor allem junge Menschen kippen offenbar immer öfter, immer krasser ins rechte Eck. Häufig radikalisieren sie sich im Internet, wo sie in die Fänge extremistischer Akteure geraten.

Als Gesellschaft, als Kirche, als Christ*innen darf uns das nicht egal sein. Und deshalb müssen wir genau dorthin sehen und gehen, wo der Hass gesät wird: Ins Internet. Und wir dürfen uns dort nicht nur in den Blasen der jeweils eigenen christlichen Gemeinschaft aufhalten, nicht nur mit Gleichgesinnten vernetzen, sondern uns eben manchmal auch gezielt in die ekelhaften, rechten Tiefen des Internets vorwagen.

Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass es einen Impact hat, wenn man sich als Pfarrer*in oder Christ*in aktiv in die Kommentarspalten großer Boulevardmedien einmischt. Wenn die Kirche digital geschulte Menschen genau dorthin schickt, wo Nutzer Gift und Galle spucken und rechte Parolen verbreiten: Um dort für Mitgefühl und Nächstenliebe zu werben. Um unter Hassposts auf Instagram, Facebook oder X (ehemals Twitter) gegen menschenverachtende Aussagen und krude Theorien Stellung zu beziehen und dem Hass die Liebes-Botschaft des Evangeliums entgegenzuhalten.

Das ist kein Zuckerschlecken, keine Frage; oft gerät man dabei selbst ins Visier von Angriffen. Und dennoch bin ich davon überzeugt, dass es Sinn macht, zu versuchen, dem Rad des Rechtsextremismus, der im digitalen Raum spürbar wird, in die Speichen zu fallen.

Denn der Mensch erntet, was er sät (Galater 6,7): Wer Hass sät, wird Hass ernten. Wer Resignation sät, wird Resignation ernten. Wer Liebe sät, wird es zwar nicht immer leicht haben, aber er wird den Nährboden für eine bessere Welt bereiten.

Ein Text von Julia Schnizlein, Pfarrerin der Lutherischen Stadtkirche Wien