09.11.2022
Revolution im Iran - der Kampf für Freiheit und Menschenrechte
Daniela Sepehri ist Social Media Managerin und Menschenrechts-Aktivistin. Sie steckt gerade unglaublich viel Zeit und Kraft in die Berichterstattung zur Revolution im Iran, knüpft Kontakte, schreibt Petitionen und tritt der politischen Ebene regelmäßig auf die Füße zwecks mehr Engagement und Unterstützung für die Menschen im Iran, die für ihre Freiheit auf die Straße gehen.
Der OnlineKirche hat sie erzählt, was im Iran gerade los ist, warum es eine Revolution und nicht nur Protest ist. Und wie wir hier in Deutschland unterstützen und uns solidarisieren können.
Gastbeitrag von Daniela Sepehri:
Iranrevolution - die Ausgangssituation:
Die Islamische Republik regiert seit 43 Jahren. Das höchste und mächtigste Amt im heutigen iranischen Staat hat der Religionsführer Ali Chamenei. Mit seiner religiösen Legitimierung verfügt der "Oberste Führer" seit 1989 über fast uneingeschränkte Macht: Er definiert die Politik des Staates (Gottesstaat) und überwacht deren Ausführung. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, erklärt als solcher Krieg und Frieden, er ernennt den vom Volk gewählten Präsidenten und kann ihn auch wieder absetzen, er bestimmt den obersten Richter, den obersten Staatsanwalt sowie die Oberbefehlshaber der Sicherheits- und Ordnungskräfte.
Frauen, queere Menschen, religiöse Minderheiten und ethnisch marginalisierte Gruppen haben kaum Rechte im Iran, werden durch ihre bloße Existenz kriminalisiert.
Frauen bekommen zum Beispiel nicht das Sorgerecht, wenn sie sich scheiden lassen wollen. Nach dem Erbrecht steht ihnen nur die Hälfte dessen zu, was ein männlicher Verwandter bekommt, und wenn sie vor Gericht aussagen, ist ihre Stimme nur die Hälfte der Aussage eines Mannes wert. Frauen und Männer dürfen zum Beispiel nicht zusammen in einem Auto sitzen, wenn sie nicht verwandt sind. Das Kopftuch ist Pflicht, und die "Sittenpolizei" verfolgt radikal alle Personen, die sich nicht an die "gottgewollte Ordnung " der Mullahs (schiitische Geistliche) halten.
Die Liste der Verbote ist endlos - und dann gibt es noch mal so eine lange Liste der Verbote für die Diskriminierung von Kurdinnen, Belutschinnen, Afghaninnen, Christinnen, Atheist*innen, Bahai usw.
Proteste gegen dieses Regime gab es immer wieder. Menschen, die sich für Freiheit und Frieden einsetzten, die mutig waren und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben.
Iranrevolution - Was ist passiert?
Nachdem die Kurdin Jina Mahsa Amini von der sog. Sittenpolizei zu Tode geprügelt wurde, brachen in ihrer Heimatstadt Saqqez Proteste aus, die sich schnell auf das ganze Land ausweiteten. Was wir jetzt sehen ist, dass alle Schichten, alle Gruppierungen unterschiedlichster Herkünfte auf den Straßen sind. Und es geht mittlerweile nicht mehr "nur" um das Kopftuch, es geht um das ganze System. Die Menschen rufen „Das sind keine Proteste mehr, nennt es Revolution“, denn sie versuchen, das zu erreichen, was per Definition eine Revolution ist: Das Regime zu stürzen. Das System radikal zu verändern. Die Menschen wollen ihre Freiheit.
Dafür werden sie brutal niedergemetzelt. Mit Tränengas und Schlagstöcken attackieren "Sicherheitskräfte" die friedlichen Demonstrierenden, die unbewaffnet sind. Auf sie wird geschossen. Sogar an einer Grundschule werden Kinder mit Tränengas attackiert. Junge Frauen und Mädchen werden zuhause abgeholt, vergewaltigt, von Dächern gestoßen. Dabei ist die Situation in den Regionen, in denen mehrheitlich ethnisch marginalisierte Gruppen leben, besonders dramatisch. In der kurdischen Region Sanandaj haben wir kriegsähnliche Zustände. In Zahedan in der Provinz Sistan und Belutschistan wurde aus Hubschraubern auf Demonstrierende geschossen. Mehr als vierzehntausend Menschen wurden bisher verhaftet, werden in den Gefängnissen gefoltert. Im Evin-Gefängnis hat das Regime versucht, die Gefangenen am lebendigen Leibe zu verbrennen. In der Scharif-Universität haben sie Studierende eingekesselt, umgebracht, an unbekannte Orte entführt. Doch die Menschen lassen sich davon nicht abhalten, auf die Straßen zu gehen. Aus jeder Beerdigung entsteht ein neuer Protest. Sie rufen „Für jeden, der getötet wird, stehen 1000 Menschen dahinter!“ Wir sehen einen unglaublichen Zusammenhalt in der Bevölkerung, der den Mullahs das Genick brechen wird.
Iranrevolution - Was können wir tun?
Es ist ganz wichtig, dass wir hier in Deutschland die Stimmen der Menschen in Iran verlängern. Das Regime will nicht, dass wir hinschauen und ihre Verbrechen sehen. Deswegen haben sie auch das Internet gedrosselt. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt bewusst nach den Bildern der Revolution suchen und sie teilen, um zu zeigen: Die Revolution geht weiter. Wir hören euch, wir sehen euch, wir sind an eurer Seite, bis ihr eure Freiheit erlangt, die euch zusteht.
Das geht für uns super einfach, indem wir auf Instagram iranischen Exilmedien oder deutsch-iranische Journalistinnen und Aktivistinnen, die gerade sehr viele Bilder und Videos teilen, folgen.
Und wir können und müssen auf die Straße, auch hierzulande. Wir können und müssen Druck ausüben auf die Regierung, mit ihrem Kuschelkurs mit den Mullahs aufzuhören. Wir können unseren Abgeordneten Mails schreiben, Medienhäuser auf ihre Fehler in der Berichterstattung aufmerksam machen, Aktionen organisieren und so weiter. Und es ist wichtig, dass wir das tun und weiter laut sind, denn wenn wir schweigen, tun wir dem mörderischen Regime einen Gefallen.
Hier ein paar konkrete Links für euch:
Eine Petition an Olaf Scholz und ein Mailverteiler für Forderungen und Anfragen bei den führenden PolitikerInnen zu dem Thema: https://verein.innn.it/aktionsseite-olafsagwas/
Und hier ist eine Petition auf der Seite des Bundestages von Düzen Tekkal und Hawar Help: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2022/_10/_07/Petition_139993.nc.html
Daniela Sepehri bei Instagram: